Ihr Lieben,

nach unserem herrlich sonnengeküssten XXL-Sommer ist er nun doch noch gekommen: der windig-graue Herbst. Und mit ihm so schöne Dinge wie Lebkuchen in den Supermärkten, braun glänzende Kastanien auf den Wegen, köstliche Kürbissuppe all überall. Vor allem mag ich die Herbstspaziergänge im Wald: Sich mal richtig durchpusten lassen, in Gummistiefeln durch Laubberge waten, den aromatischen Geruch von Pilzen, nassem Holz und Sprühregen einatmen. Moment, da war doch noch was? Richtig, Halloween.

Um es gleich vorwegzusagen: Mit Halloween ist das so eine Sache. Ich habe gewisse Schwierigkeiten damit, dann wieder einen Höllenspaß und ich sag euch auch warum.

Vorsicht, jetzt kommt erst mal was Hochernstes. Es gab mal eine Zeit (sie ist viiieel zu lange her), als ich mit anderen Kindern als kleine Sternsängerin unterwegs war. Immer am 6. Januar. Wir klingelten an fremden Türen, sangen Lieder, sagten Gedichte auf. Mit etwas Glück bekamen wir dann Süßigkeiten, für die wir uns artig bedankten. Vorbei. Jetzt geht das so: Am 31. Oktober klingelt es Sturm, und wenn ich öffne, brüllen mir gruselig verkleidete, hochaggressive Kinder „Süßes oder Saures!“ entgegen. Was so viel heißen soll, wie: „Wenn du uns nix gibst, kannst du was erleben!“

Dieser seltsame Brauch kommt aus den USA und wird auch bei uns immer beliebter. Was mich daran stört: Die Kinder fordern, ohne etwas zu geben. Sie kreischen nur ohrenbetäubend herum, ziehen böse Fratzen, und wenn ich ihnen tatsächlich ein paar Süßigkeiten überlasse, rennen sie schreiend davon. Ohne sich zu bedanken.

Andere mögen das superlustig finden, ich empfinde das als Verrohung. Eltern, die ihre Kinder darin bestärken, Wildfremde quasi zu süßen Gaben zu zwingen, verstehe ich nicht. So wenig wie ich verstehe, dass man Worte wie Bitte und Danke für überflüssig hält. Ich mag dieses Gebaren einfach nicht. Und ich glaube auch nicht, dass es gut für Kinder ist, wenn sie zu diesem Verhalten ermutigt werden.

Okay, okay, ich höre schon die Mütter unter euch seufzen: Ellen, was soll ich machen, das ist heute eben so, und ich will meine Kinder nicht ausgrenzen – deshalb pinsele ich ihnen Spinnennetze ins Gesicht und lasse sie mitlaufen. Gut. Verstehe ich. Sorry, war ja auch nur so eine Anmerkung …
Und jetzt zum positiven Teil. Überraschung! Ich liebe Halloween Partys!! Ja, jetzt staunt ihr, was?

Auch dafür liefere ich natürlich eine Begründung. Sie ist ganz einfach: Gerade wir Frauen versuchen immer, extrem nett und freundlich rüberzukommen. Wir stecken viel ein. Wir lächeln auch dann noch, wenn uns alles zu viel wird. Wir trauen uns einfach nicht, unsere dunkle Seite zu zeigen. Ganz anders an Halloween. Da dürfen wir fiese Hexen, sündige Verführerinnen, böse Feen sein. Ha! Wunderbar! Natürlich ist das nichts für Kinder (denen wollen wir ja keinen Schreck einjagen). Aber unter Freunden mal richtig abzufeiern, ohne am schönen Schein rumzubasteln – immer schick, immer hübsch, immer gepflegt -, das ist grandios. Hässlich rüberkommen, wie entspannend ist das denn?

Bei der letzten Halloweenparty für Erwachsene ging ich als blutüberströmte Krankenschwester. Also, ähem, in einem weißen Kittel mit blutroten Farbflecken, dazu trug ich eine graue, strähnige Perücke. Igitt. Selten habe ich mich so wohl gefühlt. Und meinen Freundinnen ging es genauso: kein Schönheitsdruck, wunderbar. In solchen Augenblicken merkt man erst, wie anstrengend es ist, immer vorzeigbar zu sein. Ist so ähnlich wie beim Karneval: Einfach mal die adrette Alltagsmaske ablegen und in eine andere Rolle schlüpfen. An Halloween darf’s dann eben auch mal eine nicht so nette Rolle sein. Äußerlich zumindest, denn selbstverständlich blaffe ich niemanden an. Sonst wär’s ja mit dem Spaß vorbei.

Was meint ihr dazu? Das würde mich brennend interessieren. Doch ganz egal, ob ihr euch unters gruselige Treiben mischt oder euch lieber davon fernhaltet: Den Herbst genießen können wir alle. Der kommt frei Haus, und alles, was wir dafür brauchen, ist eine warme, regenfeste Jacke, nässeresistentes Schuhwerk sowie eine Tasse Tee, damit uns daheim wieder warm wird. Genial, oder?

Herzlichst, eure Ellen

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