Die ersten Menschen waren Jäger und Sammler. Die ersten Menschen? Weit gefehlt. Erstens sind wir immer noch auf der Jagd: nach Schnäppchen, nach Klamotten, nach Deko, kurz, nach allem, was uns ins Auge springt. Zweitens sind wir immer noch leidenschaftliche Sammler. Dinge, die es in die Wohnung geschafft haben, geben wir so schnell nicht wieder her.

Ausmisten? Nein, danke! Gut, es gibt bewundernswerte ZeitgenossInnen, die regelmäßig aussortieren. Die Regel ist das allerdings nicht. Und dann heißt es: Hilfe, Krempelalarm! Und passend zu meinem neuen Roman „Der ist für die Tonne“ sind hier meine sieben Tipps, wie man der Messie-Falle entkommt:

1. Die Belohnungs-Falle

Wer kennt das nicht? Projekt geschafft, Kindergeburtstag gewuppt, Prüfung bestanden, Küche geputzt – nun darf man sich mal was gönnen. Falsch? Nein, richtig. Nur, dass die meisten Leute denken, sie müssten sich mit materiellen Dingen belohnen. Und schon wird sinnfrei drauflosgeshoppt. Eine neue Bluse, ein netter Dekoartikel, eine teure Creme, ein ausgeflippter Modeschmuck, der Hunger auf „irgendwas Schönes“  ist riesig. Aber eben nur auf „Irgendwas“. Leider erweisen sich die meisten Belohnungsteile hinterher als komplett überflüssig. Weil man sie fürs Seelenheil brauchte, nicht fürs wahren Leben. Belohnungsshoppen ist deshalb eine besonders fiese Messie-Falle. Was also tun? Am besten, einen Plan B entwickeln. Man kann sich nämlich auch belohnen, ohne unnützen Krempel anzuhäufen. Ein Kaffee mit der besten Freundin. Ein Spaziergang im Wald. Ein Glas Champagner mit dem Liebsten. Eine durchtanzte Nacht. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, vorausgesetzt, man gibt kein Geld für Dinge aus, die wenig später nur noch Ballaststoffe sind.  

2. Die Schnäppchen-Falle

30 Prozent billiger, 50 Prozent, bis zu 70 Prozent billiger! Wo gibt’s denn sowas? Leider überall. Ob Lebensmitteldiscounter, Klamottenladen oder Möbelhaus, überall lauern unwiderstehliche Angebote. Und schon tanzen unsere Kaufreflexe Tango. Haben wollen! Ist doch fast geschenkt! Da spielt es auch keine Rolle, dass wir weder einen minderwertigen Wein à la Chateau Migräne brauchen, einen bodenlangen lila Kimono aus Kunstseide oder ein goldenes Beistelltischchen, das dann doch bloß im Wege steht. Hauptsache, wir können uns in der Gewissheit sonnen, ein richtig tolles Schnäppchen erwischt zu haben. Die Frage, ob wir etwas brauchen oder schön oder praktisch finden, wird komplett ausgehebelt, sobald uns eine Preisreduzierung anschreit: Nimm mich mit! Da heißt es, einen kühlen Kopf bewahren und langsam weitergehen. Ohnehin sind die meisten Preisnachlässe nur ein Fake. In Wahrheit hat kein Laden der Welt etwas zu verschenken. Unterm Strich sind solche Schnäppchen fatal, weil sie zuverlässig das Konto plündern und die Wohnung verstopfen. Wer denkt, er hätte gespart, muss sich nur ab und zu die Kartenabrechnung ansehen und den heimischen Krempelberg anschauen. Also: Hände weg von Schnäppchen!

3. Die Frust-Falle

Schräg genug: Shoppen ist sowas wie eine Freizeitbeschäftigung geworden. Als sei es völlig normal, die kostbaren freien Stunden in irgendwelchen Läden zu verbringen und mit Tüten beladen heimzukommen. Nicht erst, seit wir über den Konsumwahnsinn diskutieren, ist das ein No-go. Von der Verschleuderung natürlicher Ressourcen mal ganz abgesehen: Muss es wirklich dauernd was Neues sein? Und könnten wir unsere Zeit nicht wesentlich inspirierender verbringen als ausgerechnet mit Shoppen? Dahinter verbirgt sich oft uneingestandener Frust. Weil wir buchstäblich „nichts Besseres“ zu tun haben. Haben wir aber. Und wie! Vor allem die Samstage sind Frust-Fallen, und da kann sofort abgeholfen werden. Kochen mit Freunden, ein Ausflug zur nächsten Kegelbahn, ein Yoga-Kurs, was auch immer man sich vornimmt – alles ist besser, als mit Tüten durch die Gegend zu schleichen, deren Inhalt die Schränke zum Bersten bringt. Das Ganze muss nämlich irgendwann auch wieder entsorgt werden. Und das vermeintliche Glücksgefühl, etwas gekauft zu haben, verfliegt so schnell, dass man sofort wieder mit gezückter EC-Karte loszieht. Es gibt sogar einen Begriff dafür: Post-Shopping-Frustration. Einfach ein Gegenprogramm starten, mit eigenen Ideen, dann bleibt die Wohnung krempelfrei.

4. Die Geschenke-Falle

Ob kitschige Kaffeebecher, scheußliche Vasen oder kratzige Pullover, nichts kann unnütz genug sein, um nicht doch noch einen festen Platz in der Wohnung zu ergattern – sofern es von einem lieben Menschen stammt. Wir halten Geschenke nun mal in Ehren. Das ist sympathisch. Und der erste Schritt ins Messie-Paradies. Denn mit jedem Jahr wächst der Berg von Dingen, die wir uns nie im Leben freiwillig zugelegt hätten. Man will ja niemanden verletzen. Da müllt man sich lieber zu? Nein, da sollte man einen nüchternen Stil-Check einlegen. Alles, was wir nicht brauchen und schon gar nicht mögen, muss raus. Wie man das den großzügigen Schenkern erklärt? Ganz Mutige sind ehrlich, geben es zurück oder entsorgen es unauffällig. Diplomatischere Naturen erfinden Notlügen: Oh, der Kaffeebecher ist in der Spülmaschine kaputtgegangen; die Vase ist leider runtergefallen und der Pullover, tja, ist aus Versehen in der Kochwäsche gelandet. My home is my castle, sagt der Engländer – mein Zuhause ist mein Schloss. Das sollte man nicht mit Dingen zukramen, die einem weder gefallen noch nützen.

5. Die Teuer-Falle

Je kostspieliger Fehlkäufe sind, desto leichter werden sie zum Ballaststoff. Der ungetragene sündteure Kaschmirpullover in Schrei-Pink wird brav aufgehoben. Die hässliche Designerlampe behauptet ihren Platz im Wohnzimmer, obwohl man dreimal täglich darüber stolpert. Gar nicht zu reden von dem lachhaft überteuerten Gemälde, das am Urlaubsort so charmant wirkte und jetzt nur noch peinlich ist. War doch sooo teuer, heißt es dann. Sowas darf man nicht entsorgen? Doch, darf man. Um den Trennungsschmerz zu lindern, kann man den wertvollen Krempel auf dem analogen oder digitalen Flohmarkt verkaufen. Außerdem gibt es genügend gemeinnützige Läden und Organisationen, die sich über wirklich jede Art von Spenden freuen. Ob billig oder teuer: Wer sich in seiner Wohnung wohlfühlen will, muss kurzen Prozess machen mit allem, was stört, nervt oder unbenutzt bleibt. Und das Gute ist: Wenn man dann zusammenrechnet, wieviel Geld man für sinnfreies Zeug ausgegeben hat, überlegt man es sich bei der nächsten Versuchung dreimal, ob man wirklich alles haben muss, was sich im ersten Moment verlockend anfühlt.      

6. Die Irgendwann-Falle

Wir wollen die Champions des Alltags sein, stets auf alle Eventualitäten vorbereitet. Deshalb heben wir für den sagenhaften Tag X alles Mögliche auf, obwohl es im real existierenden Alltag nie zum Einsatz kommt. Klar, fünf Fondue-Töpfe sind klasse – falls man irgendwann mal ein großes Fondue-Essen veranstaltet. Die vielen ausgeleierten T-Shirts im Schrank könnten sich prima als Outfit zum Fensterputzen und Kelleraufräumen eignen, irgendwann, versteht sich. So wie die zusammengewürfelte Sammlung angekokelter Kerzen, die Berge sorgfältig gefalteter Papiertüten, die gefühlt hundert Kugelschreiber in der Küchenschublade. Dumm nur, dass Tag X nie kommt. Währenddessen füllen sich die Schränke, irgendwann verlieren wir den Überblick. Da hilft nur eine nüchterne Bestandsaufnahme. Große Fondue-Essen finden nur alle Jubeljahre statt? Dann sollte man einen Topf behalten, den Rest verschenken und sich für den besonderen Anlass eben die restlichen Töpfe ausleihen. Und, ehrlich: Ein einziges Gammel-T-Shirt für Putzaktionen reicht. Auch Kugelschreiber braucht man nicht in rauen Mengen. Weg damit!

7. Die Erinnerungsfalle

Ja doch, das kitschig-bunte Glas aus dem schummrigen Weinlokal wird  immer an das erste Date mit der großen Liebe erinnern. Und die Muscheln in jeder Form und Grüße an den Traumurlaub am Traumstrand. Ehrensache, dass man auch die Plastikblume vom Rummel aufhebt – weil sie  an heftig durchgekicherte Stunden mit den besten Freundinnen erinnert. Wir hängen an solchen Dingen. Aber nur, wenn wir sie auch wirklich anschauen. Meist sehen wir sie nämlich gar nicht mehr. Sie liegen rum, verstauben als Deko oder verstopfen die Schubladen. Man muss sich einfach mal klarmachen, dass im Laufe des Lebens mehr Erinnerungsstücke auflaufen, als man jemals horten kann. Was also tun, wenn man am sentimentalen Erinnerungswert klebt? Das Stichwort heißt liebevolle Verabschiedung. Am besten ist es, Fotos der Stücke zu machen – wer will, kann sie ausdrucken und in ein Album kleben – danach darf munter entsorgt werden. Merke: Wer im Museum seiner Erinnerungen lebt, verstellt sich nicht nur die Wohnung, sondern auch den Blick für die lebenspralle Gegenwart.

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